Logo IMC Fachhochschule Krems

Presse #Forschung#Medical and Pharmaceutical Biotechnology

„Lichtschalter“ für spezielle Rezeptoren entwickelt

IMC Krems federführend bei Etablierung zellbasierter Testsysteme zur Identifizierung von Biomarkern

Ein Forschungsprojekt unter dem Lead der IMC Hochschule für Angewandte Wissenschaften Krems wurde soeben erfolgreich abgeschlossen und bietet nun eine hervorragende Basis für weitere Projekte: Dem Team um Prof. Christoph Wiesner vom Institut für Biotechnologie gelang es, spezielle Rezeptoren (Toll-like Rezeptoren, TLRs) auf Stammzellen genetisch so zu verändern, dass sie durch blaues Licht aktiviert werden können. Durch den Einsatz solcher „optogenetischer“ Techniken konnten biologische Signalwege in Zellen präzise gesteuert, unter physiologisch relevanten Bedingungen validiert und Krankheitsmodelle generiert werden. Diese neuen optogenetischen Zelllinien werden darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von Krankheitsmechanismen und zur Entwicklung innovativer, zielgerichteter Therapieansätze ermöglichen.

Optogenetische Stammzelllinien am IMC Krems: Lichtgesteuerte Rezeptoren eröffnen neue Forschungswege.

In der Gruppe um Christoph Wiesner, Inhaber der Forschungsprofessur “Cellomics / High Content Screening“ am IMC Krems, dreht sich seit mehreren Jahren vieles um die sogenannte Optogenetik – ein aufstrebendes Forschungsgebiet, das sich mit der gezielten Steuerung von Zellen durch Licht beschäftigt. Ziel des nun erfolgreich beendeten, von der FFG – österreichische Forschungsförderungsgesellschaft – geförderten Projekts, war die Entwicklung neuer Stammzelllinien (MSCs, mesenchymale Stromazellen), deren Rezeptoren durch Einbau lichtempfindlicher Proteine genetisch so verändert wurden, dass sie durch blaues Licht aktiviert werden können. 

MSCs sind Multitalente

„In unserem Projekt“, erklärt Prof. Wiesner, „haben wir mit sogenannten MSCs, also mesenchymalen Stromazellen, gearbeitet. Das sind adulte Stammzellen, die in verschiedenen Geweben vorkommen und sich in unterschiedliche Zelltypen differenzieren können. MSCs sind im Körper in zwei verschiedenen Zuständen (MSC1 und MSC2) vorhanden, die sich in ihren Funktionen unterscheiden: Die MSC1-Zellen wirken pro-inflammatorisch, fördern also Entzündungsreaktionen und unterstützen damit das Immunsystem bei der Abwehr von Infektionen und der Bekämpfung von Tumoren. Die anti-inflammatorischen MSC2-Zellen hingegen dämpfen Entzündungsreaktionen im Körper und sind daher nützlich bei chronischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen oder zur Förderung der Gewebereparatur nach Verletzungen. Bekannt ist, dass alle MSCs auf ihrer Zelloberfläche spezielle Rezeptoren – “Toll-like-Rezeptoren, TLRs” – tragen, die bei Kontakt mit Krankheitserregern deren molekulare Muster erkennen und über nachfolgende Signalwege eine Immunantwort auslösen. Die genauen Mechanismen, die über die Aktivierung verschiedener TLRs zur Ausprägung der beiden MSCs-Formen führen, sind jedoch noch wenig verstanden – ein Umstand, dem sich das Forschungsteam um Prof. Wiesner angenommen hat.

Eine Frage der Steuerung

Ausgehend von der Hypothese, dass MSCs je nach aktiviertem TLR-Typ und Stärke des Stimulus unterschiedliche Funktionen übernehmen können (z.B. pro- und antiinflammatorische, antibakterielle oder regenerative Aufgaben), sollen transgene und optogenetische Ansätze helfen, die Mechanismen aufzuklären, die zur Polarisierung von MSCs in die beiden Formen MSC1 und MSC2 führen. “Dazu haben wir lichtempfindliche Proteine in die TLRs eingebaut, sodass wir die Rezeptoren durch Licht an- und durch Dunkelheit wieder ausschalten konnten”, erklärt Prof. Wiesner. Konkret zeigte sich, dass sich TLR4 und TLR10 nach dem Einbau in die Zelllinien gut durch Licht steuern lassen. Dass die optogenetischen Konstrukte einwandfrei funktionierten, bewiesen die folgenden Beobachtungen: Die Aktivierung von TLR4 führte zur Produktion entzündungsfördernder Moleküle, ähnlich wie bei einer bakteriellen Infektion, während die Aktivierung von TLR10 sowohl entzündungsfördernde als auch entzündungshemmende Moleküle regulierte. In umfangreichen Analysen wurden im Überstand der kultivierten MSC-Zelllinien zahlreiche Proteine gefunden, die das regenerative Potenzial der Zellen und eine beschleunigte Knochenzellbildung nach Aktivierung von TLR10 zeigen. Dies macht die neuen Zelllinien zu nützlichen Werkzeugen, um die Mechanismen der TLR4- und TLR10-Aktivierung zu untersuchen und könnte neue Ansätze für therapeutische Strategien liefern.

Stammzellen in “Serienproduktion”

Dass die neuen optogenetischen Zelllinien nicht nur in Einzelexperimenten getestet werden können, zeigt beispielsweise das aus diesem Projekt hervorgegangene ESPRIT-Projekt mit Anna Stierschneider, Senior Postdoc in der Forschungsgruppe von Christoph Wiesner, in dem miniaturisierte (0,2-0,5 mm groß), physiologisch relevante heterotypische 3D-Zellmodelle in vitro etabliert werden. Dabei werden die optogenetischen Stammzellen in heterotypische Tumorzellen (kolorektales Adenokarzinom) integriert, 96 dieser miniaturisierten Tumoren parallel kultiviert und der optogenetische Ansatz auf sein antikanzerogenes Potenzial getestet. Erste Experimente sind vielversprechend.

1 Projekt – viele Möglichkeiten

Insgesamt sind aus nun erfolgreich abgeschlossenem Projekt bisher nicht nur 3 bereits publizierte Studien hervorgegangen, sondern auch weitere Forschungsprojekte und wertvolle Kooperationen – u.a. das vom FWF (Österreichischer Wissenschaftsfonds) geförderte Nachfolgeprojekt ESPRIT sowie ein Trainingsprogramm für Doktoratsstudierende (doc.funds), das das IMC Krems als Co-Koordinator mit der Universität für Weiterbildung Krems und der MedUni Wien durchführt. Ein GFF-Antrag (Angewandte Forschung Niederösterreich) wurde gemeinsam mit der ABS Biotechnology GmbH eingereicht, um optogenetische Konstrukte in induzierbare pluripotente Zellen einzubringen und deren Auswirkungen auf Herzmuskelzellen und Makrophagen zu erforschen. In Zusammenarbeit mit der KL Krems und der Universität UPEC (Paris) soll die Wirkung von TLR-aktivierten mesenchymalen Stammzellüberständen auf Neuronen und in Alzheimer-Modellen untersucht werden.